UN-Beschluss: Weltweiter Schutz von Kindern und Schwangeren vor Amalgamfüllungen

Nusa Dua. Auf der vierten UN-Konferenz der Minamata-Konvention über Quecksilber (21.-25. März in Bali) haben sich mehr als 130 Länder darauf geeinigt, vulnerable Bevölkerungsgruppen vor der Verwendung von Amalgam in der Zahnmedizin zu schützen. Ab dem 25. Juni 2022 sollen weltweit keine Amalgamfüllungen mehr bei Kindern, Schwangeren und stillenden Frauen verwendet werden. 

Die Minamata-Konvention ist ein internationales Abkommen zur Verringerung der Emissionen von Quecksilber, dass 2017 in Kraft getreten ist. Vertragsgemäß wurde die Liste der quecksilberhaltigen Produkte in diesem Jahr überarbeitet, weshalb Amalgamfüllungen im Fokus standen. Sie bestehen zu 50% aus Quecksilber.

Sowohl die EU, als auch die 37 Parteien der Afrikanischen Region hatten Vorschläge zur Regulierung der Verwendung von Amalgamfüllungen eingereicht. Der Vorschlag der Afrikanischen Union sah einen generell­­­­en Ausstieg bis 2029 vor, während die EU forderte, zunächst nur die derzeit in Europa geltenden Maßnahmen in den Vertrag aufzunehmen.

Im Vorfeld der Konferenz wurde den Parteien vom Sekretariat der Konvention und der WHO Informationen über die Verfügbarkeit von Alternativen und Erfahrungen mit dem schrittweisen Ausstieg zur Verfügung gestellt. Die WHO forderte eine weltweite Umstellung auf ‚minimal-invasive‘ und quecksilberfreie Zahnmedizin.

Am Ende musste die Afrikanische Region nach langen Diskussionen dem Druck nachgeben und stimmte einem etwas verwässerten Vorschlag der EU und einem Kompromiss bei der Forderung nach nationalen Plänen zu.

Ab dem 25. Juni 2022 gilt:

  1. Amalgam soll nur noch in verkapselter Form verwendet werden.
  2. Jede Partei soll von der Verwendung von Amalgam bei Milchzähnen, Patienten unter 15 Jahren, Schwangeren und stillenden Frauen abraten oder diese ausschließen bzw. verbieten, indem sie entsprechende Maßnahmen ergreift, es sei denn der Zahnarzt hält dies für notwendig aufgrund der Bedürfnisse des Patienten.

Außerdem soll ein überarbeitetes Berichtsformat der Minamata Konvention erstellt werden, um Informationen über die national ergriffenen Maßnahmen zur Verringerung der Verwendung von Amalgam zu sammeln.

„Die Welt ist sich einig, dass Amalgam für sich entwickelnde Kinder nicht sicher ist – weder im Mund noch in ihrer Umwelt. Das ist ein erster Schritt.“

In der EU sind Amalgamfüllungen bei Kindern bis zu 15 Jahren, Schwangeren und stillenden Frauen bereits seit 2018 verboten und alle Mitgliedstaaten haben nationale Pläne zum Ausstieg verfasst. Ein Gesetzentwurf der Europäischen Kommission für eine EU-weite Regelung zum generellen Ausstieg wird bis Jahresende ausgearbeitet.

„In Europa sind wir bereits auf der Zielgeraden. Jetzt müssen wir so schnell wie möglich anderen Ländern helfen. — In Afrika gibt es kaum eine Infrastruktur, um die giftigen Abfälle zu entsorgen. Sie wollen lieber aussteigen, als diese aufbauen zu müssen; wo doch Amalgam ohnehin keine Zukunft hat.“

„Wir erwarten auch von Deutschland, den generellen Amalgam-Ausstieg noch in diesem Jahr zu beschließen. Polen hat es im Februar vorgemacht und Amalgamfüllungen ohne eine Übergangsphase aus den gesetzlichen Kassenleistungen gestrichen. Es gibt keine Ausreden mehr. Selbst die Hersteller von Amalgam verlassen das sinkende Schiff.“

Seit Mai 2021 sind die gesetzlichen Sicherheits-Anforderungen (durch die neue Medizinprodukte-Verordnung) deutlich gestiegen und stellen eine Herausforderung für die Zulassung von Amalgamfüllungen in Europa dar.

Hersteller müssen jetzt nachweisen, dass die Freisetzung von Quecksilber und anderen Bestandteilen von Amalgam die Sicherheitsschwellenwerte unter allen möglichen Bedingungen wie Zähneknirschen, Kauen, Alterskorrosion oder oralem Galvanismus nicht überschreitet.

Sollte sich die Hürde als zu hoch herausstellen, würde die Verfügbarkeit spätestens im Mai 2024 versiegen. Bislang wurde keine Zulassung nach diesen neuen Kriterien erteilt, im Gegenteil:

Eine aktuelle Recherche der IG Umwelt-ZahnMedizin hat ergeben, dass bereits Dentsply Sirona, Kerr, Ivoclar, Ardent, DMP, DMG und Unodent aus dem Geschäft in Europa ausgestiegen sind oder angekündigt haben auszusteigen.

Weitere Informationen:

Summary report, 21–25 March 2022, 4th Meeting of the Conference of the Parties to the Minamata Convention on Mercury (2nd Part), Earth Negotiations Bulletin https://enb.iisd.org/Minamata-Convention-Mercury-COP4-2-summary

„Amalgam-Hersteller geben auf: Anforderung an EU-Zulassung für Amalgamfüllungen zu hoch“, IG Umwelt-Zahnmedizin https://www.ig-umwelt-zahnmedizin.de/aktuelles/6835/

„Polen: Kein Amalgam mehr im öffentlichen Gesundheitssystem“, IG Umwelt ZahnMedizin https://www.ig-umwelt-zahnmedizin.de/aktuelles/polen-kein-amalgam-mehr-ueber-die-gkv/

„Nationale Aktionspläne: Verwendung von Dentalamalgam in Europa“, IG Umwelt-ZahnMedizin https://www.ig-umwelt-zahnmedizin.de/aktuelles/update-nationale-aktionsplaene-zum-ausstieg-aus-der-verwendung-von-amalgam-in-der-eu/

Fotos (in hoher Auflösung verfügbar):


COP4 Opening Ceremony, Foto von IISD/ENB – Kiara Worth


COP4 Nusa Dua Convention Center in Bali, Foto von IISD/ENB – Kiara Worth


World Alliance for Mercury-Free Dentistry, Foto von IISD/ENB – Kiara Worth


Florian Schulze, Geschäftsführer der IG Umwelt-ZahnMedizin, Foto von To Lien