Zulassungsbedingungen von Amalgamfüllungen fraglich

Warum gibt es keine Sicherheitsstandards für Amalgamfüllungen?

Bei der Diskussion um die Sicherheit von Amalgamfüllungen geht es hauptsächlich um ­­­­­­den hohen Anteil von Quecksilber und die Frage, ob Mengen freigesetzt werden können, die gesundheitsschädlich sind.

Wir wissen dabei, dass die Freisetzung von zahlreichen Faktoren, wie zum Beispiel der Verarbeitung durch den Zahnarzt oder auch der Mundhygiene des Patienten abhängen kann. Eine Grundverantwortung liegt jedoch bei den Zulassungsstellen und den Herstellern, die Amalgamfüllungen erst auf den Markt bringen. Nach heutigem Sicherheitsverständnis ist es kaum vorstellbar, dass Amalgamfüllungen mit über 50% Quecksilber überhaupt zugelassen werden.

Die Zulassungsbedingungen für Medizinprodukte waren allerdings bislang auch viel zu lasch, sodass dies nicht verwunderlich ist. Erst nach dem Brustimplantateskandal von 2012 sah sich die Politik gezwungen eine neue Richtlinie (MDR) auszuarbeiten, mit der es nun auch für Amalgamfüllungen enger wird.

Nach der Medizinprodukterichtlinie, die im Mai 2020 in Kraft treten wird, müssen Neuzulassungen nun strengere Auflagen erfüllen und Hersteller sind unter anderem verpflichtet für Amalgamfüllungen eine Freisetzungsrate anzugeben, welche auch die Verarbeitung und die Verwendung berücksichtigt. Für die Verträglichkeitsprüfung wird dabei ausdrücklich eine Angabe der Freisetzung in Masse/Zeit/Oberfläche gefordert.

Für die Einhaltung der Verträglichkeitsprüfung sind allerdings die Zulassungsstellen verantwortlich, die Füllungen zulassen können ohne die technischen Dokumente zu veröffentlichen. Normalerweise wird die Transparenz durch den Bezug zu Normen gewährleistet, doch für Amalgamfüllungen sind adäquate Normen auf welche sie Bezug nehmen können, bislang nicht aussagekräftig oder werden erst noch ausgearbeitet. (Normen sind gewissermaßen Qualitätssiegel der Wirtschaft, die Verbraucher nur kostenpflichtig (ca.100€/Norm) einsehen können)

Für andere metallische Werkstoffe in der Zahnmedizin gab es bereits eine Norm mit einer Freisetzungsrate für die Verträglichkeitsprüfung. Für Amalgamfüllungen jedoch lediglich eine Technische Spezifikation (TS 17988), wie man die Messung vornehmen sollte, sobald ein solcher Standard eingeführt würde. Demnach soll man die Korrosionsrate sowohl durch (1) die Freisetzung von Ionen in einer Lösung, (2) durch eine Elektrochemische Messung als auch (3) durch eine mechanische Messung testen.

Bei der aktuellen Überarbeitung der Normen für Amalgamfüllungen ISO 24234 (Amalgam zum Anmischen) sowie bei der Ausarbeitung einer Norm für die Korrosionsbeständigkeit ISO 23325 (die sowohl für ISO 24234, als auch für Amalgam in Kapseln: ISO 20749 gilt) wird die technische Empfehlung jedoch ignoriert und ausschließlich eine mechanische Messung gefordert.

Das hat weitreichende Folgen für Verbraucher: Denn solange es keinen öffentlichen Angaben über die maximale Freisetzung von Quecksilber aus Amalgamfüllungen gibt, kann man die Werte auch nicht mit der Freisetzung aus den Füllungen im Mund der Patienten vergleichen. So können Patienten keine Ansprüche auf Schadensersatz stellen, selbst nicht, wenn durch Speichelproben oder elektrochemische Messungen im Mund gesundheitsgefährdende Konzentrationen nachgewiesen werden können.

Eine Unterstützung für mehr Transparenz ist von der Internationalen Gesellschaft für Standardisierung zudem nicht zu erwarten, da wichtige Positionen der Ausschüsse für Dentalmaterialien von bekannten Amalgamlobbyisten besetzt sind.

Über die internationale Norm für Korrosionsbeständigkeit wird bis zum 08. Mai 2020 abgestimmt. Doch auch wenn der deutsche Ausschuss erneut dagegen stimmt, steht man international allein auf weiter Flur. Das Ergebnis der ersten Abstimmung war 19:1.

Als Verbraucherschutzorganisation fordern wir daher die Europäische Kommission auf, mehr Verantwortung (z.B. durch die Harmonisierung von Standards) zu übernehmen oder ziehen es in Betracht, gegebenenfalls die Herausgabe der technischen Dokumentationen von Zulassungsstellen zu verlangen.